Kapitel 2 — Die Schweizer Kapitalertragsteuer

Letztes Aktualisierung: 9. März 2024

Schweizer Steuern

Ehe es ans Eingemachte geht, erklären wir den Neulingen, was ein Kapitalgewinn ist.

Stellst du dir vor, dass du Apple-Aktien im Wert von CHF 100 kaufst und ein Jahr später beschliesst, sie für CHF 150 zu verkaufen. Wir sind uns einig, dass das cool ist, weil du gerade einen Gewinn von CHF 50 gemacht hast, oder?

Nun, das ist ein “Kapitalgewinn”.

Du hast Kapital, nämlich Geld, an der Börse investiert, und dieses Kapital hat einen Kapitalgewinn (hier CHF 50) erzielt, den du dazuerhältst, wenn du deine Aktien verkaufst und dein Kapital in bar zurückerhältst.

Eines der Dinge, um die wir in der Schweiz am meisten beneidet werden (abgesehen von Schokolade, Käse, Uhren und allem anderen), ist, dass unser Steuersystem diese Kapitalgewinne nicht besteuert. In unserem Fall mit der Apple-Aktie bedeutet das, dass du CHF 50 rausbekommst – nach Steuern.

Aber, denn es gibt ein “Aber”: Du kannst für diese Kapitalgewinne steuerpflichtig werden, wenn du als professioneller Investor eingestuft wirst.

Jetzt sagst du dir: “Puh, das ist bei mir nicht der Fall, ich bin gerettet, da ich als Investor ein Anfänger bin!”

Sei dir da mal nicht so sicher, denn die Schweizer Steuerbehörden entscheiden je nach den Umständen, unter denen diese Kapitalgewinne erzielt wurden, ob du ein privater oder ein professioneller Investor bist.

Und daraus folgt: Falls du als Schweizer Profi-Investor behandelt wirst, musst du Einkommensteuer auf die CHF 50 zahlen, die du mit deinen weiterverkauften Apple-Aktien verdient hast.

Die 5 Kriterien, die du erfüllen musst, um keine Schweizer Kapitalertragsteuer zu zahlen

Die Schweizer Steuerbehörden, auch bekannt als ESTV, beschreiben in ihrem Zirkular Nr. 36 die folgenden 5 Kriterien, die dich zu einem privaten Investor machen (und damit von der Kapitalertragsteuer ausnehmen), wenn sie erfüllt werden:

1. Die Haltedauer der veräusserten Wertschriften beträgt mindestens 6 Monate

2. Das Transaktionsvolumen (entspricht der Summe aller Kaufpreise und Verkaufserlöse) pro Kalenderjahr beträgt gesamthaft nicht mehr als das Fünffache des Wertschriften- und Guthabenbestands zu Beginn der Steuerperiode

3. Das Erzielen von Kapitalgewinnen aus Wertschriftengeschäften bildet keine Notwendigkeit, um fehlende oder wegfallende Einkünfte zur Lebenshaltung zu ersetzen. Das ist regelmässig dann der Fall, wenn die realisierten Kapitalgewinne weniger als 50% des Reineinkommens in der Steuerperiode betragen

4. Die Anlagen sind nicht fremdfinanziert oder die steuerbaren Vermögenserträge aus den Wertschriften (wie z.B. Zinsen, Dividenden, usw.) sind grösser als die anteiligen Schuldzinsen

5. Der Kauf und Verkauf von Derivaten (insbesondere Optionen) beschränkt sich auf die Absicherung von eigenen Wertschriftenpositionen

Wenn du der Mustachian-Methode zur Anlage in ETF folgst, die ich für meine Ersparnisse anwende (zusammengefasst unter diesem Link), solltest du dir keine Sorgen machen müssen, da mein Ansatz folgendermassen ist:

  1. Ich behalte meine Wertpapiere mehrere Jahrzehnte lang, ohne sie weiterzuverkaufen (d. h. mehr als 6 Monate), da der Börsenhandel der beste Weg ist, um Geld zu verlieren und mehr Steuern als nötig zu zahlen
  2. Ich kaufe oder verkaufe nicht mehr als das Fünffache dessen, was ich bereits investiert habe (an dem Tag, an dem das passiert, ist es, weil ich zu viel Geld verdiene :D). Um diese Regel mit meiner aktuellen Situation (ca. 200K CHF an der Börse) zu brechen, müsste ich für 1M CHF Wertpapiere (200 x 5) kaufen oder verkaufen. Da ist ein Spielraum!
  3. Ich lebe nicht von den Zinsen und Dividenden meiner aktuellen Renditen. Das ist eine der Regeln, gegen die ich verstossen könnte, wenn ich bei FIRE (“Financial Independence, Retire Early”, zu Deutsch: “Finanzielle Unabhängigkeit, Frühzeitiger Ruhestand”) bin, aber auch dann ist es nicht unbedingt so, weil ich von einer Mischung aus Kapitalgewinnen UND Dividenden leben würde (und nicht nur von Kapitalgewinnen)
  4. Meine ETF-Käufe werden nicht von jemand anderem finanziert (das könnte cool sein — falls du je zu viel Bares hast, lass es mich einfach wissen!). Ebenso sind meine Zinsen oder Dividenden wichtiger als passive Zinsen, da ich keine passiven Zinsen zahle. Passive Zinsen sind in diesem Fall dasselbe, als hätte ich mir Geld geliehen (um zu investieren), für das ich Zinsen zahle (wie bei privaten Schulden oder Krediten)
  5. Ich kaufe keine Derivate, weil ich mich damit nicht auskenne

Der Fall, in dem man dir unterstellen könnte, professionell mit Wertpapieren zu handeln, ist, wenn du dich (wie ich) mit Value Investing beschäftigst (weitere Informationen hier).
Es ist selten, aber über diese Art der Anlage halte ich meine Wertpapiere manchmal weniger als 6 Monate. Es ist daher ein interessanter Fall, auf den ich 2021 die Antwort haben werde (ich werde meinen Blogpost dann aktualisieren). Ich denke aber, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich mein Status ändert, da dies nur ein paar hundert CHF Kapitalgewinn bei einem Gesamtportfolio von etwa CHF 200'000 darstellt. Und auch, weil meine Wertanteile insgesamt nur CHF 30'000 betragen; der Rest sind meine ETF, die ich langfristig halte.

Danach hängt die endgültige Entscheidung, wie jeder sagt, am Urteilsvermögen der Person, die deine Steuern kontrolliert. Wenn letztere ihren gesunden Menschenverstand einschaltet, sollte ich lebenslang sicher sein, es sei denn, ich stelle um auf 50-80% Value Investing, gesehen auf die Gesamtheit meines Portfolios.

“Aber wie können die Schweizer Steuerbehörden diese Kriterien in der Realität bewerten?” höre ich dich jetzt fragen.

Tatsächlich können die Schweizer Steuerbehörden diese Parameter bewerten, da du in deiner Schweizer Steuererklärung den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren (Aktien oder Anleihen) deklarieren musst. Da ich weiss, dass dies ein Thema ist, das du liebst (na klar…), habe ich für dich eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Ausfüllen dieses Teils deiner Steuererklärung in diesem Blogpost.

Sehen wir uns als nächstes die Steuern auf die Dividenden an, die du erhalten wirst, wenn du deine ersten Wertpapiere kaufst, damit dein Geld arbeitet, während du etwas anderes tust.


Wie üblich schreibe und rezensiere ich nur Dinge, die ich in meinem persönlichen Alltag verwende oder denen ich vertraue.

Danke fürs Lesen!