Interview mit Fabienne und Benoît (vom Schweizer Blog Novo-Monde)

Letztes Update: 27. Februar 2025

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Als ich erfahren habe, dass Fabienne und Benoît einen neuen Schritt in ihrem Leben als Weltenbummler machen, konnte ich nicht widerstehen, sie ein zweites Mal zu interviewen.

Wer sind Fabienne und Benoît von Novo-Monde?

Fabienne und Benoît sind zwei Schweizer, die 2012 zu einer Weltreise aufgebrochen sind.

Dieser Entscheid hat ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt.

Ich bin auf die beiden über ihren Blog Novo-Monde gestossen, als ich selbst von einem ähnlichen Projekt träumte.

Und weil sie Schweizer sind, hat das Ganze für mich noch eine Spur spezieller gemacht.

Dann, durch ein bisschen Glück (naja, eigentlich habe ich dieses Glück selbst in die Hand genommen!), habe ich Benoît kontaktiert, um gemeinsam einen Kaffee unter Schweizer Bloggern zu trinken.

Das war Ende 2015. Wir hatten in der Beiz eines Bahnhofs in der Romandie einen Kaffee getrunken. Und dann hatte ich ihn ein erstes Mal auf dem Blog zum Thema geografische Unabhängigkeit interviewt.

Seit diesem Tag sind wir immer wieder, wenn auch unregelmässig, in Kontakt geblieben.

Als ich dann gesehen habe, dass sie 2023 in der Schweiz ein Coliving lancieren, habe ich Benoît geschrieben, um ein neues Interview zu machen – und hier ist es.

Video mit Fabienne und Benoît

Transkription des Videos

Falls du lieber liest, statt dir das Video anzuschauen, findest du hier die Transkription meines Interviews mit den Mitgründern von Novo-Monde und Alpiness Coliving.

Angesichts der Länge habe ich mir die Freiheit genommen, einige Teile via ChatGPT zusammenzufassen :)


1. Könnt ihr euch kurz vorstellen?

Wir sind beide in der Schweiz aufgewachsen, haben einen klassischen Bildungsweg eingeschlagen und ziemlich traditionelle Karrieren begonnen. Ich (Fabienne) habe Statistik und Oekonometrie studiert, waehrend Benoît seinen Doktortitel in digitaler Biomechanik gemacht hat. Nach unserem Studium hatten wir unsere erste Auslandserfahrung in Wien, wo Benoît an seiner Promotion arbeitete und ich in einem Startup taetig war.

Doch schon bald fuehlten wir den Drang, noch mehr zu reisen. Wir entschieden uns fuer eine 19-monatige Weltreise. Damals hatte ich Angst, wie das in meinem Lebenslauf aussehen wuerde, aber letztendlich hat diese Erfahrung unsere Sichtweise auf Arbeit und Leben komplett veraendert. Es war auch waehrend dieser Reise, dass unser Blog entstand – urspruenglich nur, um unsere Abenteuer mit Familie und Freunden zu teilen.

Nach unserer Rueckkehr haben wir wieder Jobs in der Schweiz angenommen, aber besonders fuer mich war die Erfahrung im Unternehmen frustrierend. Ich erlitt ein Burnout, und genau da entschieden wir uns, die Schweiz zu verlassen und selbststaendig zu werden. Zuerst bauten wir Webseiten fuer Kunden, waehrend wir unseren Blog weiterentwickelten, der nach und nach zu unserer Haupt-Einnahmequelle wurde.

Der digitale Nomaden-Lifestyle hat uns sofort begeistert. Wir haben mehrere Jahre zwischen Europa und Asien verbracht, aber schnell gemerkt, dass es nicht immer einfach ist, einen passenden Arbeits- und Lebensort zu finden. Dann haben wir Coliving-Spaces entdeckt – vor allem waehrend eines Aufenthalts in Teneriffa, wo wir unsere erste Erfahrung als Freiwillige in einem Coliving gemacht haben. Wir haben uns sofort mit dem Konzept verbunden gefuehlt – ein Ort, an dem man effizient arbeiten, von Gleichgesinnten umgeben sein und die Einsamkeit des Remote-Arbeitens vermeiden kann.

Seit 2018 haben wir fast 50 % unserer Zeit in Coliving-Spaces verbracht, und die Idee, unser eigenes zu eroeffnen, wurde schnell offensichtlich. Besonders beeindruckt hat uns der Einfluss, den ein Coliving auf ein kleines Dorf haben kann. In Galicien zum Beispiel haben wir gesehen, wie eine Gemeinschaft von Remote-Workern soziale und technologische Projekte entwickelt hat, um die Region zu unterstuetzen.

Heute haben wir unseren idealen Ort gefunden – mitten in den Bergen.

2. Zürich Paradeplatz oder der Jet d’eau in Genf?

Wir sind nicht fuer das Stadtleben gemacht, weder fuer die Paradeplatz noch fuer den Jet d’Eau in Genf. Das urbane Tempo passt nicht zu uns. Ich habe schon immer ruhigere Orte bevorzugt, waehrend du frueher eher ein Stadtmensch warst. Aber heute sind wir uns einig: Die Stadt ist zu weit weg von der Natur.

Um gluecklich zu sein, muessen wir direkt von unserer Haustuer aus eine Wanderung starten koennen. Heute Morgen zum Beispiel waren wir drei Stunden Skifahren, bevor wir einen Podcast aufgenommen haben. Diese Lebensqualitaet ist fuer uns in der Stadt einfach nicht zu finden. Wenn wir also zwischen den beiden waehlen muessten… wuerden wir keinen von beiden nehmen.

3. Welches Buch habt ihr am häufigsten an Freunde oder Bekannte verschenkt?

Ich hoere mir lieber Podcasts an, als dass ich Buecher lese. Seit Covid interessiere ich mich stark fuer Umwelt-Themen und hoere dazu oft verschiedene Formate. Einer meiner Favoriten ist Serw – eigentlich ein YouTube-Kanal, aber auch als Podcast verfuegbar. Nicht alles gefaellt mir, aber die tiefgehenden Gespraeche und unterschiedlichen Perspektiven finde ich spannend.

Buecher lese ich eher selten. Ich habe einige von Naomi Klein gelesen, weil ihre Philosophie gut zu mir passt, aber allgemein konsumiere ich mehr Inhalte online. In der Schule musste ich viele Buecher lesen, aber heute bevorzuge ich andere Formate. Persoenliche Entwicklungs- und Business-Buecher sind gerade sehr im Trend, aber die sprechen mich nicht wirklich an. The 4-Hour Workweek zum Beispiel war total beliebt, als ich in Chiang Mai war – jeder hat es empfohlen – aber ich konnte damit nichts anfangen.

Ein Dokumentarfilm, den ich absolut liebe (auch wenn er nichts mit Unternehmertum zu tun hat), ist The Biggest Little Farm. Er zeigt, wie zwei Leute nach einem Karrierewechsel eine biodynamische Farm gruenden und der Natur erlauben, sich selbst zu regulieren. Der Film dokumentiert auf eindrueckliche Weise, wie sich das oekologische Gleichgewicht ueber die Zeit von selbst wieder einstellt. Zum Beispiel hatten sie anfangs eine extreme Maulwurfplage, aber spaeter stellte sich heraus, dass die Maulwuerfe den Boden belueftet hatten, was ihre Farm vor Ueberschwemmungen schuetzte. Danach kamen Eulen, um die Maulwurfpopulation natuerlich zu kontrollieren, und spaeter tauchten Luchse auf, die das gesamte Oekosystem weiter stabilisierten. Es ist ein sehr inspirierender Film – auch wenn man selbst nicht Landwirt werden will.

Eine Webseite, die mein Leben stark beeinflusst hat, ist Le Site du Zéro, heute bekannt als OpenClassrooms. Urspruenglich war es eine Plattform zum Programmierenlernen, aber inzwischen gibt es dort Kurse zu vielen verschiedenen Themen. Der Gruender der Seite ist extrem inspirierend und hat in einigen spannenden Podcasts mitgewirkt. Ohne diese Plattform waere mein Weg definitiv anders verlaufen.

4. Wenn ihr ein riesiges Plakat mitten auf dem Paradeplatz in Zürich aufstellen könntet, was würde darauf stehen?

Eine tolle Moeglichkeit, unser Coliving zu bewerben, waere, zwei unterschiedliche Lebensstile gegenueberzustellen. Auf der einen Seite koennten wir ein Bild unseres Arbeitsbereichs mit atemberaubendem Bergblick zeigen, und daneben ein Foto desselben Bewohners, wie er nach seinem Arbeitstag durch frischen Pulverschnee faehrt.

Ein Zitat von Paulo Coelho koennte die Botschaft verstaerken: “Wenn du denkst, dass Abenteuer gefaehrlich ist, dann probiere Routine; sie ist toedlich.” Das Ziel ist es, Menschen dazu zu inspirieren, ihre Prioritaeten zu ueberdenken und aus dem Hamsterrad auszubrechen.

Ein einpraegsamer Slogan wie “Ich lebe und arbeite dort, wo du Urlaub machst.” wuerde den Geist des Colivings perfekt zusammenfassen – Arbeit und eine aussergewoehnliche Lebensqualitaet vereint.

5. Was ist eigentlich ein Coliving? Und was macht ihr als Gastgeber genau?

Ein Coliving-Space ist ein Ort fuer Menschen, die remote arbeiten. Es handelt sich meist um ein grosses Haus mit spezieller Arbeitsinfrastruktur wie einem Coworking-Bereich, einem Konferenzraum und schnellem WLAN. Neben diesen beruflichen Einrichtungen gibt es auch Gemeinschaftsraeume wie eine grosse Kueche, ein Wohnzimmer und sogar ein kleines Fitnessstudio. Ziel ist es, ein komfortables Zuhause in der Natur, nahe den Bergen, zu bieten und gleichzeitig optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Die Rolle des Managers
Unsere Rolle als Manager wird sich im Laufe der Zeit veraendern. Da wir das Coliving erst kuerzlich eroeffnet haben, uebernehmen wir aktuell alle Aufgaben selbst: Logistik, Verwaltung, Reinigung und kleinere Renovierungsarbeiten. Langfristig soll die Verwaltung weniger zeitaufwendig sein, aehnlich wie das Management einer grossen Wohngemeinschaft.

Der Alltag im Coliving
Die Bewohner haben unterschiedliche Arbeitszeiten – einige arbeiten nach europaeischen, andere nach amerikanischen Zeitzonen. Um den Gemeinschaftssinn zu foerdern, organisieren wir von Montag bis Freitag gemeinsame Abendessen, bei denen jeder einmal fuer die Gruppe kocht. Dadurch gibt es taeglich eine Gelegenheit zum Austausch.

Neben der Arbeit organisieren wir verschiedene Aktivitaeten, um den Bewohnern die Region naeherzubringen: Wanderungen, Huettenausfluege, Spaziergaenge im Dorf, Spieleabende und Filmnaechte. Ein wichtiger Bestandteil des Colivings ist auch der Wissensaustausch. Beispielsweise hielt ein Bewohner, der sich mit kuenstlicher Intelligenz beschaeftigt, einen Vortrag zu seinem Fachgebiet. Dies inspirierte eine Innenarchitektin, mit ihm zusammenzuarbeiten und ein eigenes Projekt zu starten.

Der Coliving-Spirit
Coliving ist nicht nur ein Ort zum Leben und Arbeiten, sondern auch eine Plattform fuer Networking, Lernen und neue Chancen. Unsere Aufgabe ist es, diese Interaktionen zu foerdern und Kooperationen zwischen den Bewohnern zu unterstuetzen. Aktuell kuemmern wir uns noch um viele organisatorische Aufgaben, aber langfristig wollen wir diese delegieren, um uns staerker auf die Community und das Coliving-Erlebnis zu konzentrieren.

6. Wer ist euer typischer Gast? Nur digitale Nomaden oder auch andere Lebensstile?

Coliving zieht eine viel vielfaeltigere Gruppe von Menschen an, als die typischen Klischees vermuten lassen. Es gibt zwar Entwickler, Designer und Online-Trainer, aber auch viele Fachleute aus verschiedenen Branchen, die einige Monate im Jahr remote arbeiten. Zum Beispiel hatten wir Mitarbeiter von Galaxus sowie HR-Fachleute und viele andere Berufe zu Gast. Manche bevorzugen Coliving in den Bergen, wie unseres in der Schweiz, andere ziehen Orte am Meer vor, wie Teneriffa.

Auch die Altersgruppen sind breit gefaechert: Unser juengster Bewohner war 22, der aelteste 54, aber in anderen Colivings haben wir schon Leute mit 75 getroffen. Ein besonderes Beispiel war ein Koch in seinen 60ern, der ein Buch ueber peruanische Kueche schrieb. Er testete Rezepte und liess uns seine Gerichte probieren – eine unvergessliche Erfahrung!

Letztendlich ist Coliving fuer alle geeignet, die flexibel remote arbeiten koennen. Zum Beispiel kommt meine Schwester, eine Statistikerin bei den oeffentlichen Verkehrsbetrieben in Lausanne, oft zu uns, weil sie ihre Arbeitszeiten anpassen kann. Ebenso organisiert eine Immobilienmaklerin aus Martigny ihre Besichtigungen ein- bis zweimal pro Woche und erledigt den Rest der Arbeit von unserem Coliving aus. Coliving ist also nicht nur etwas fuer digitale Nomaden – es ist eine viel breitere und flexiblere Lebensweise.

7. Seht ihr euch als finanziell unabhängig mit all euren passiven Einnahmen vom Blog?

Seit wir am 19. April 2023 unser Coliving gekauft haben, haben wir kaum noch an unserem Blog gearbeitet, aber unser Einkommen ist stabil geblieben. Tatsachlich hatten wir letzten Sommer sogar die hochsten Einnahmen aller Zeiten, obwohl wir nichts daran gemacht haben. Das ist ein bisschen ironisch, aber es zeigt, dass sich unsere fruheren Bemuhungen weiterhin auszahlen.

Dennoch braucht sogenanntes “passives” Einkommen immer eine gewisse Vorarbeit und etwas Pflege. Man kann sich nicht einfach zurucklehnen, sonst nimmt die Leistung mit der Zeit ab. Unsere finanzielle Situation hat uns jedoch eine gewisse Sicherheit gegeben – im Gegensatz zu Menschen mit traditionellen Jobs, die ohne Einkommen dastanden, wenn sie sich auf ein so grosses Projekt wie die Renovierung eines Hotels eingelassen hatten.

Unser Blog und die dazugehorigen Produkte (z. B. Bucher) bringen uns ungefahr 80'000 CHF pro Jahr. Das ist kein riesiger Betrag, aber es ist stabil und erfordert derzeit kaum Aufwand, abgesehen davon, dass die Website online bleibt und genug Besucher hat. Diese Einkommensquelle erlaubt uns einen komfortablen Lebensstil, wahrend wir uns voll und ganz auf unser Coliving-Projekt konzentrieren konnen.

8. Wieviel hat das Hotel gekostet? Und die Renovationen? Was war der Gesamtpreis, alles inklusive?

Wir haben die Renovierungen noch nicht abgeschlossen, aber das Hotel hat uns 870'000 CHF gekostet. Es ist ein grosses Gebaeude mit 600 m², 11 Zimmern, einer separaten Wohnung und einem Erdgeschoss, das frueher ein Restaurant und eine Bar beherbergte, die wir komplett umgebaut haben. Der Kaufpreis entspricht in etwa dem einer Dreizimmerwohnung in Genf, jedoch mit erheblichem Renovierungsbedarf.

Das Gebaeude ist alt und war zwar noch bewohnt, aber seit 12 Jahren nicht mehr in Betrieb. Unser Renovierungsbudget betraegt 500'000 CHF, wovon 400'000 CHF fuer die Aussenrenovierung (Fassade, Isolierung, Fenster und Dach) und 100'000 CHF fuer die Innenrenovierung vorgesehen sind. Bisher haben wir etwa 100'000 CHF fuer die Innenrenovierung ausgegeben, was das Gesamtbudget des Projekts auf ca. 1'350'000 CHF bringt.

Die Aussenrenovierungen haben sich im Vergleich zu unseren urspruenglichen Plaenen verzoegert. Ein besonderes Merkmal dieses Projekts ist, dass wir fast alle Innenarbeiten selbst durchgefuehrt haben – mit der Unterstuetzung von Freiwilligen ueber den gesamten Sommer hinweg. Dadurch konnten wir ein 600 m² grosses Gebaeude fuer weniger als 100'000 CHF renovieren.

In der Schweiz gibt es Subventionen fuer energetische Renovierungen, aber wir verlassen uns nicht zu sehr darauf. Sie koennten zwischen 40'000 und 50'000 CHF betragen, aber es wird eine Weile dauern, bis sie ausgezahlt werden. Zudem befindet sich unser Gebaeude in einem geschuetzten Dorfzentrum, wodurch wir bestimmte Vorschriften einhalten muessen, insbesondere bezueglich des Steindachs und der Installation von Solarpanelen.

Schliesslich haben wir diese Kosten in unserem urspruenglichen Budget beruecksichtigt. Wir haben eine Hypothek aufgenommen, die das gesamte Projekt abdeckt – sowohl den Kauf als auch die Renovierung – anstatt nur eine Hypothek basierend auf dem Kaufpreis.

9. Wieviel habt ihr bei der Arbeitskraft gespart, indem ihr Essen und Unterkunft im Austausch für Hilfe bei den Renovationen angeboten habt?

Wir haben etwa 100'000 CHF fuer die Innenrenovierung ausgegeben, aber indem wir einen grossen Teil der Arbeiten selbst gemacht haben, konnten wir fast 100'000 CHF zusaetzlich sparen. Zum Beispiel haette das Beauftragen von Malern etwa 50'000 CHF gekostet, waehrend wir hochwertige Farbe fuer nur 2'000 CHF gekauft haben. Ebenso haben wir 150 m² Boden selbst verlegt und damit erheblich gespart.

Fuer uns ist dieses Projekt nicht nur eine finanzielle Investition mit Renditeziel, sondern ein echtes Lebensprojekt. Wir sind begeistert von Coliving und wollten lernen, wie man renoviert, da es in der Schweiz schwierig ist, von Handwerkern abhaengig zu sein. Anfangs hatten wir keinerlei Erfahrung im Handwerk, aber wir haben viel gelernt und sind jetzt viel selbstaendiger.

Ein Schluesselelement war die Organisation eines kollaborativen Bauprojekts. Wir haben digitale Nomaden und Remote-Worker, die sich fuer Coliving interessieren, eingeladen, uns im Austausch fuer kostenlose Unterkunft zu helfen. Im Sommer haben etwa zehn Freiwillige bei der Arbeit geholfen, sodass wir viel schneller vorankamen. Natuerlich erforderte dies Organisation, aber indem wir ihnen die einfachsten Aufgaben zuwiesen, konnten wir ihre Hilfe optimal nutzen.

Fuer technisch anspruchsvollere Arbeiten haben wir einen Renovationscoach engagiert. Er brachte uns neue Faehigkeiten bei (Verputzen, Streichen, Bodenlegen usw.) in eintae gigen Schulungen, beriet uns beim Kauf von Materialien und Werkzeugen und korrigierte unsere Arbeit. Dieser Service, der in der Schweiz nicht sehr bekannt ist, erwies sich als extrem kosteneffektiv, da er uns half, effizient zu arbeiten und unnoetige Kosten zu vermeiden.

Wir haben auch einen Schreiner fuer ein paar Wochen engagiert, um die Kueche zu renovieren. Er zeigte uns den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen und ueberwachte die Arbeit, sodass wir den Grossteil der Renovierung selbst durchfuehren konnten.

Schliesslich hatte dieser kollaborative Ansatz einen enormen Einfluss auf den Start unseres Colivings. Viele der Freiwilligen blieben oder erzaehlten anderen von dem Projekt. Dadurch hatten wir schon vor der Eroeffnung im September eine grosse Nachfrage, und im Oktober war das Coliving dank Mundpropaganda durch diese ersten Teilnehmer voll ausgebucht.

10. War es nicht schwierig, die Qualität der Arbeit zu gewährleisten, wenn andere Leute auf der Baustelle mithelfen?

Wir glauben, dass es ganz auf die Herangehensweise ankommt. Wenn das Ziel ist, in Immobilien zu investieren und schnell zu skalieren, haetten wir wahrscheinlich kein Projekt wie unseres gemacht. Aber in unserem Fall war es ein persoenliches Projekt, in das wir uns enorm investiert haben. Natuerlich wuerden wir es wieder tun, aber es ist klar, dass es volle Hingabe erfordert.

Koerperlich und mental war es extrem anstrengend. Am Ende der Renovationen haben wir kaum noch geschlafen, standen jeden Tag um 5 Uhr morgens auf, um jedes Detail zu managen. Tatsächlich waren wir in der Sendung Forum auf RTS, und mehrere Leute sagten uns, dass wir seit August juenger aussehen. In Wirklichkeit hatten wir einfach nur wieder einen normalen Schlafrhythmus gefunden, nachdem uns vier intensive Monate buchstaeblich gealtert hatten!

Bezueglich der Arbeitsqualitaet haben wir fast alles selbst gemacht, ausser der Installation der Brandschutztueren und der Elektroinstallation, die wir an Fachleute vergeben haben. Ironischerweise waren das genau die zwei Punkte, die uns am meisten enttaeuscht haben. Nicht, dass sie eine Katastrophe waren, aber die Termine waren schwer einzuhalten, und die Arbeit wurde manchmal zu schnell erledigt, weil Bauprofis oft ueberlastet sind und Schnelligkeit ueber Praezision stellen. Am Ende waren wir mit unserer eigenen Arbeit zufriedener als mit der der Handwerker.

11. Wieviel ist Hypothek und wieviel Eigenkapital?

Wir standen vor einigen Herausforderungen bei der Finanzierung, insbesondere wegen unseres bescheidenen Einkommens und eines noch unbewiesenen Geschaeftsmodells. Allerdings hatten wir etwa 500'000 CHF an Eigenkapital, und ich habe eine Wohnung in Zuerich geerbt, ohne Hypothek. Dadurch konnten wir eine Hypothek von 450'000 CHF auf diese Wohnung aufnehmen. Da diese Immobilie seit mehr als drei Jahren fuer ueber 2'000 CHF pro Monat vermietet war, waren die Banken bereit, uns einen Kredit zu gewaehren.

Technisch gesehen haben wir 820'000 CHF an Hypotheken, aber nur 400'000 CHF sind fuer unser aktuelles Projekt vorgesehen. Wir haben mehrere Absagen von traditionellen Banken erhalten, aber dank unserer langjaehrigen Beziehung zur Alternativen Bank Schweiz (ABS) und unserem Status als Aktionaere konnten wir Vorzugskonditionen erhalten. Dies erleichterte die Verhandlungen, obwohl die Hypothekenaufnahme ohne die Wohnung meiner Grossmutter viel schwieriger gewesen waere.

Wir haben uns entschieden, unsere Schulden nicht maximal auszureizen, und haben weniger aufgenommen als urspruenglich vorgeschlagen wurde. Ohne die Wohnung meiner Grossmutter waere es jedoch unmoeglich gewesen, eine so hohe Finanzierung zu erhalten. Zudem mussten wir unsere eigene Wohnung verkaufen, um die Finanzierung zu vervollstaendigen.

Banken sind oft zurueckhaltender bei der Finanzierung von Gewerbeprojekten, und da Coliving in der Schweiz noch wenig verbreitet ist, mussten wir hart arbeiten, um die Kreditgeber zu ueberzeugen. Die ABS hat jedoch an unser Projekt geglaubt, und wir hatten das Glueck, von einem Ansprechpartner unterstuetzt zu werden, der unser Dossier verteidigte. Schliesslich hatten wir die Wahl zwischen mehreren Banken und entschieden uns fuer die ABS, da sie Projekte wie unseres unterstuetzt und uns als Aktionaere Vorzugskonditionen bot.

12. Welchen Hypothekarzins habt ihr bekommen? SARON oder fest?

Fabienne, wo die Zahlen vor sich hat, wird dir mehr Details geben, aber hier ist, was ich dir sagen kann: Mir hend entschiedet, die Hypothek vom schoene vermietete Wohnung zu erhöhe, was es uns erlaubt het, besser Zins als für s’kommerzielli Projekt z’bekomme. Mir hend en Zins von 2.75% für 7 Jahr für d’Wohnung (Kredit vo 400'000 CHF) und en Zins vo 2.98% fürs kommerzielli Projekt wählt.

Für s’Coliving-Projekt hend mir en Mix vo Saron gewählt, mit em Kredit vo 100'000 CHF zu 2.38% wo mir unterschriebe hend. Der Zins isch vermutlich scho e chli gstige. Mir hend au feste Zins für 3, 4 und 7 Jahr basierend uf üsi finanzielli Planung gnoh. Mir hend Verbindlichkeite zum z’rückzahle in 6 bis 8 Jahr, was üsi Rückzahlung entscheide beeinflusst. Mir hend versuecht, en Abwägung z’mache zwischen der Rückzahlung und de Handhabig vo de Schulde.

Mir sind kei Experten in Optimierig, aber mir wüsse, dass mir e gewissi Betrag an Schulde beibehalte welle, weil es für üs besser isch. D’Idee isch, jetzt en Teil z’rückzahle, aber nöd alles zum Maximierä. Auf jede Fall sind die aktuelle Zinssätze für üs nöd dramatisch, und wenn üses Projekt das nöd verkraftet, wär das e Zeichen, dass es e Problem mit dem Projekt git.

13. Welche fixen monatlichen Kosten werdet ihr fürs Coliving haben?

Die monatlichen Fixkosten betragen bei geringer Belegung (z. B. ohne Gäste) ca. 3 500 Franken, wobei die Hypothekenzinsen 1'000 Franken betragen, die Tourismusförderungsabgabe und andere kleinere Kosten wie Steuern anfallen. Wenn das Coliving voll belegt ist, steigen die Belastungen auf etwa 4'000 bis 5'000 Franken, da zusätzliche Kosten für das Raummanagement, den Energieverbrauch sowie die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zum Kochen wie Kaffee oder Öl anfallen.

Vor dem Umzug kostete die Wohnung, die man besass, etwa 1300 Franken pro Monat. Heute kostet das Projekt zwar rund 3 000 Franken pro Monat, aber diese Wohnkosten fallen weg, so dass man nur 700 Franken mehr ausgibt, aber eine wesentlich grössere Wohnfläche hat.

Das Worst-Case-Szenario wurde im Vorfeld durchgerechnet, und selbst in diesem Fall würde das Einkommen zum Leben ausreichen. Heute, bei einer Belegung von 100 % bis März, werden die Prognosen weit übertroffen und die Situation ist besser als erwartet.

14. Mit welchem Umsatz und Gewinn rechnet ihr, sobald das Coliving richtig läuft?

Im Jahr 2025 ist das Ziel, zwischen 120'000 und 180'000 Franken Umsatz bei einer Auslastung von 60 bis 80 % zu generieren. Dies beinhaltet jedoch auch Schliesszeiten für Renovierungen, wie zum Beispiel den Ausbau des Kellers zu einem Fitnessraum, was Monate ohne Einkommen zur Folge hat.

Aktuell ist das Ziel nicht, Gewinn zu erzielen, da alle Einnahmen in grosse Renovationen wie die Einrichtung eines Fitnessraums, den Austausch von Fenstern und die Dachsanierung reinvestiert werden. Der Gewinn wird erst später kommen, wenn diese Projekte abgeschlossen sind. Momentan wird alles in das Projekt reinvestiert.

Auf der Ausgabenseite hat das Paar seine Kosten gesenkt, indem es im Gebäude wohnt, sodass sie sich kein Gehalt auszahlen müssen. Das Coliving-Projekt deckt ihre Lebenshaltungskosten mit passivem Einkommen.

Der Fitnessraum, obwohl persönlich, dient auch dazu, Gäste anzuziehen. In den Bergen ist die Nebensaison ideal für Aktivitäten wie Klettern, und ein Kletterwand im Innenbereich ist ein starkes Marketinginstrument, um Gäste in der Nebensaison zu gewinnen. Das Paar liebt Klettern, daher ist dieses Projekt sowohl eine Leidenschaft als auch eine Geschäftsmöglichkeit. Die Kletterwand im Keller ermöglicht es, die Schwierigkeit der Übungen anzupassen und bietet eine unterhaltsame Möglichkeit, technische Fähigkeiten zu verbessern.

15. Vor dem Coliving: Wie hat sich euer Einkommen aus dem Blog verteilt?

Blogger werden oft so wahrgenommen, dass sie ihr Geld durch Pressereisen oder Sponsoring-Deals verdienen, aber das ist nicht der Fall bei uns. Unsere Werte stimmen mit solchen Praktiken nicht ueberein, daher setzen wir hauptsaechlich auf Affiliate-Marketing, was unsere Hauptquelle von Einkommen ist. Wir arbeiten mit Firmen zusammen, deren Produkte wir wirklich benutzen, wie zum Beispiel Trails (eine Wander-App) und Leader (eine Seite fuer technische Ausruestung, die wir fuer unser Skiequipment benutzen). Dieses Modell passt gut zu uns, weil es auf authentischen Beziehungen und Produkten basiert, die wir wirklich schätzen.

Neben Affiliate-Marketing verdienen wir auch durch unsere Bücher. Wir haben drei Buecher, die bei den Editions Hvétique veröffentlicht wurden, und drei selbstpublizierte Ebooks. Unsere Tantiemen bringen etwa 20'000 Franken pro Jahr, und unsere Ebooks generieren etwa 10'000 Franken jährlich. Das ist nicht genug, um nur vom Schreiben zu leben, aber es ist ein guter Zusatzverdienst.

Unser Geschäftsmodell basiert auf mehreren kleinen Einkommensströmen, die zusammen es uns ermöglichen, in der Schweiz zu leben. Während der COVID-Pandemie sind unsere Einnahmen aus Hotels und Partnerschaften gesunken, aber der Verkauf unserer Bücher, besonders die über Wanderungen, ist gestiegen. Das hat geholfen, die Verluste auszugleichen. Der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt darin, unsere Einkommensquellen zu diversifizieren, was uns weniger anfällig für Schwankungen macht.

16. Nach dem Coliving: Wie plant ihr die Verteilung eurer Einkünfte?

Zu Beginn hatten wir keine sehr hohen finanziellen Ziele für das Coliving-Projekt. Unser Business-Plan sah vor, etwa 2000 bis 2500 Franken pro Monat zusätzlich zu verdienen, aber wir brauchen das Geld eigentlich nicht, da wir es ins Projekt reinvestieren würden. Das mittel- bis langfristige Ziel ist es, das Coliving unabhängig zu machen, sodass wir nicht mehr für den täglichen Betrieb notwendig sind. Dies beinhaltet die Einstellung eines Managers, der das Coliving leitet, sowie die Schaffung von Prozessen, die es ermöglichen, dass es selbstständig läuft.

Wir glauben, dass ein Gehalt von 2500 Franken für jemanden, der 20 bis 25 Stunden pro Woche arbeitet und kostenlos untergebracht ist, motivierte Kandidaten anziehen könnte, vor allem aus dem Ausland. Das Ziel ist jedoch nicht die reine Rentabilität, sondern das Geld wieder ins Projekt zu reinvestieren.

Wir planen auch, eine Reinigungskraft einzustellen, sobald das Coliving mehr ausgelastet ist, um einige Aufgaben abzugeben. Momentan arbeiten wir mit Freiwilligen, oft Menschen, die ihr eigenes Unternehmen gründen oder Geld bei der Unterkunft sparen möchten. Diese Freiwilligen arbeiten etwa 15 Stunden pro Woche, wobei sie Aufgaben im Haushalt und Community-building-Aktivitäten abwechseln.

Dieses Modell ermöglicht es uns, Zeit für andere Aspekte des Projekts freizusetzen und gleichzeitig eine gute Atmosphäre im Haus zu bewahren.

17. Wie habt ihr den psychologischen Schritt geschafft, vom “freien und geografisch unabhängigen Nomaden” zum “Sesshaften, der an einem festen Ort gebunden ist”?

Zu Beginn war unser starker Wunsch zu reisen eine treibende Kraft, aber im Laufe der Zeit haben wir Freude daran gefunden, länger an bestimmten Orten zu bleiben. Nach einem Jahr Reisen haben wir gemerkt, dass uns die Berge fehlten, und das hat uns dazu gebracht, über ein grösseres Projekt nachzudenken. Die Covid-Zeit war ein Wendepunkt, besonders nachdem der Traffic auf unserem Blog gesunken ist. Es hat uns dazu gebracht, unsere Prioritäten neu zu überdenken.

In dieser Zeit entstand die Idee des Colivings, aber nicht nur als Geschäft. Wir wollten ein Projekt mit echtem lokalen Einfluss schaffen, in einem kleinen Dorf. Zum Beispiel bringt unser Coliving in einem Dorf mit 300 Einwohnern digitale Nomaden, die lokal einkaufen, was die Gemeinschaft belebt. Wir arbeiten auch an einem öffentlichen Coworking-Space in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, um einen Ort zu schaffen, an dem Bewohner und Besucher miteinander interagieren können.

Dieses Projekt erfordert eine eher sesshafte Lebensweise, die wir vor einigen Jahren noch nicht akzeptieren wollten, aber jetzt erscheint sie uns als wesentlich. Wir haben ein gutes Gleichgewicht zwischen unseren Coliving-Bewohnern, unseren Outdoor-Aktivitäten und unserem Engagement in der lokalen Gemeinschaft gefunden. Es ist ein Kompromiss, aber er motiviert uns jeden Tag.

Die Entscheidung, den Standort für unser Coliving zu wählen, basierte auf der Bedeutung, mit den lokalen Behörden zusammenzuarbeiten, um nachhaltige Projekte zu entwickeln. Auch wenn das Dorf klein ist und die Integration schwierig sein kann, hilft uns das Coliving, mit der lokalen Gemeinschaft in Kontakt zu treten.

Schliesslich nimmt unsere anfängliche Vision langsam Gestalt an, mit Projekten wie der Gründung einer Frauen-Armdrückliga, die ein großer Erfolg im Dorf war. Es ist ein Beispiel für Initiativen, die sowohl die Einheimischen integrieren als auch Verbindungen schaffen. Das Projekt befindet sich noch in der Entwicklung, und wir sind gespannt, wohin es führen wird.

18. Plant ihr, das Coliving in andere Hände zu geben, falls ihr mal wieder für 3–4 Monate verreisen wollt?

Seit über 10 Jahren treibt uns die Leidenschaft für das Reisen an. Auch wenn wir uns jetzt niedergelassen haben, bleibt der Wunsch zu reisen immer noch präsent. Das Coliving-Projekt wird langfristig nicht nur für uns sein, sondern ein Raum, um Menschen mit unterschiedlichen Projekten zu empfangen und Verbindungen zu fördern. Wir möchten, dass die Interaktionen im Coliving natürlich entstehen, ohne dass wir ständig eingreifen müssen, und dafür müssen wir die richtigen Prozesse schaffen. Unser Ziel ist es, das Coliving weniger von uns abhängig zu machen – nicht nur damit wir reisen können, sondern um ein nachhaltiges Projekt für die Gemeinschaft zu schaffen.

Wir haben bereits Menschen, die darüber nachdenken, in die Haudères zu ziehen, was einen echten Wandel für ein Dorf darstellen würde, das immer unter Abwanderung gelitten hat. Wenn das Coliving mehr Nomaden anzieht, könnte es die lokale Gemeinschaft wirklich beleben. Wir sind offen dafür, dass sich Menschen finanziell einbringen und langfristig an der Verwaltung des Projekts teilnehmen. Wenn der richtige Partner kommt, könnten wir sogar in Betracht ziehen, das Kapital zu öffnen. Das Ziel ist, dass das Projekt auch dann weitergeht, wenn wir in 4 oder 5 Jahren nicht mehr die gleiche Energie oder Lust haben. Das Coliving muss in der Lage sein, unseren Weggang zu überstehen, und dafür muss es grösser als wir sein. Es muss weiter wachsen, und die nächste Generation muss es voranbringen.

19. In 5 Jahren trefft ihr einen Freund, den ihr lange nicht gesehen habt. Er fragt euch, wie es euch geht, und ihr sagt: “Besser als je zuvor, das Leben könnte nicht schöner sein”. Warum?

Es gibt etwa zehn Nomaden, die Wohnungen in den Haudères gekauft haben. Wir machen endlose Fondueabende mit tollen Leuten. Unser Coliving ist voll, und wir sind da, wann immer wir wollen. Ich habe gelernt, im frischen Pulverschnee zu fahren, indem ich Skitouren gemacht habe, und wir sind outdoor-technisch aktiver geworden als früher. In fünf Jahren werde ich dir vielleicht einen 6c im Klettern zeigen oder wir werden in exponierteren Gebieten mit der Haut unterwegs sein. Der Gemeinschaftsbereich läuft super, und wir schaffen viele Synergien, indem wir Menschen von aussen mit Einheimischen verbinden. Das ist die langfristige Vision.

20. Was macht euch am meisten Angst, was euer Coliving-Business-Modell stören und euch dazu zwingen könnte, aufzugeben (so wie BlackBerry durch das iPhone)?

Ein wichtiger Punkt, den wir erwähnt haben, ist, dass das Coliving total von uns abhängen würde, wenn wir irgendwann das Interesse daran verlieren würden. In diesem Fall könnte alles zusammenbrechen – was schade wäre. Aber sonst hat sich Coliving als sehr widerstandsfähig erwiesen. Selbst während COVID waren die Coliving-Spaces voll, weil die Leute nicht reisen konnten und einen Ort zum Arbeiten brauchten.

Remote-Arbeit wird nicht verschwinden, und die Berge sind langfristig eine sichere Wette. Leider zeigt sich der Klimawandel bereits deutlich: Letzten Sommer, als es in Sion über 40°C hatte, haben uns Leute angeschrieben und gefragt, ob sie in unserem Coworking arbeiten dürfen. Sie nannten sich selbst “Klimaflüchtlinge” und mieteten Wohnungen in den Bergen, um der Hitze zu entkommen.

Da Coliving auf menschlichen Kontakten basiert, stellt Künstliche Intelligenz keine echte Konkurrenz dar. Ausserdem kommen die meisten Gäste durch Mundpropaganda – selbst wenn Google uns komplett aus dem Index nehmen würde, wären wir immer noch ausgebucht. Im Gegensatz zu Hotels, die viele Kurzzeitgäste brauchen, haben wir eine andere Dynamik: Unsere Gäste bleiben durchschnittlich 4 bis 6 Wochen. Mit nur 40–50 Personen pro Jahr sind wir voll.

Diesen Winter haben wir zum Beispiel schon eine Warteliste – und das ist unser erstes Jahr! Es wird sicher nicht das ganze Jahr so sein, aber insgesamt ist Coliving noch eine sehr junge Nische. Wir sind zuversichtlich, dass es in den kommenden Jahren weiter wachsen wird.

21. Habt ihr vor, euer Modell zu franchisieren, um mehrere Colivings in der Schweiz oder weltweit zu besitzen?

Ja, wir haben darüber nachgedacht, aber nein, wir haben nicht vor, es zu tun. Eine Coliving-Franchise zu führen klingt nach einem riesigen Aufwand, und ich möchte mir eine gute Lebensqualität bewahren.

Da wir hier leben, wollen wir uns natürlich in unserem Dorf engagieren, und wir haben bereits viele Projekte. Einige sind in Arbeit, und sobald sie abgeschlossen oder aufgegeben sind, werden neue folgen. Uns werden die Ideen nie ausgehen, und falls doch, denken wir vielleicht noch einmal darüber nach. Aber wir sind keine Leute, die um jeden Preis skalieren wollen – das entspricht einfach nicht unserer Vorstellung.

22. Was ist in eurem Alltag DIE eine Sache, die euch heute noch intrinsische Erfüllung oder einen Dopamin-Kick gibt?

Diese Woche ist mir wirklich bewusst geworden, dass ich die richtigen Lebensentscheidungen getroffen habe. Am Mittwochmorgen waren wir mit der Coliving-Gruppe klettern, danach habe ich am Nachmittag gearbeitet. Gestern war ich drei Stunden bei strahlendem Sonnenschein auf Skitour, bevor ich mich wieder an die Arbeit gemacht habe. Heute Morgen haben wir die ersten Abfahrten der Saison genossen, bevor wir unsere Projekte fortgesetzt haben. Diese Flexibilität zu haben und so leben zu können, ist ein echtes Privileg. Und an manchen Abenden muss ich nicht einmal kochen, was es mir ermöglicht, mich bis spät in die Nacht auf meine Arbeit zu konzentrieren.

Für mich kommt die meiste Motivation aktuell nicht mehr vom Blog – zumindest momentan nicht –, sondern vom Coliving. Die Begegnungen, die tiefgründigen Gespräche bis spät in die Nacht, die gemeinsamen Erlebnisse… Und natürlich das Leben in den Bergen und der Sport. Ich bin nicht so extrem wie Benoît, aber ich geniesse unsere Ausflüge am Mittwoch- und Freitagmorgen trotzdem sehr. Noch wichtiger ist für mich jedoch, etwas Sinnvolles zu tun. Wenn du an dein Projekt glaubst und daran arbeitest, weil es dir wirklich am Herzen liegt, dann gibt dir das eine unglaubliche Erfüllung.

Und das Beste ist, dass wir das gemeinsam machen. Als Team zu arbeiten ist ein grosser Vorteil. Während der Renovierungsarbeiten im Sommer hatten wir beide unsere Tiefpunkte, aber wir konnten uns gegenseitig unterstützen, was einen grossen Unterschied gemacht hat. Letzte Woche war Benoît eine Woche lang in England bei einem Workshop. Es war machbar, da das Haus nicht komplett voll war, aber am Ende der Woche konnte ich es kaum erwarten, dass er zurückkommt – nicht nur, weil ich ihn vermisst habe, sondern auch, weil wir uns wirklich aufeinander verlassen. Wenn einer von uns ein paar Tage weg ist, merkt man sofort das Ungleichgewicht.

23. Als erfolgreiche Unternehmer: Welches ist die Herausforderung, die ihr heute noch meistern müsst, die euch schon begegnet ist, als ihr Novo-Monde 2012 gestartet habt?!

Wir hatten schon immer Mühe, uns Zeit für uns selbst zu nehmen. Als wir in Chiang Mai als Freelancer gestartet sind, waren wir so vertieft in unsere Arbeit, dass wir das Essen vergessen haben – bis einer von uns nicht mehr konnte und für den anderen etwas zu essen geholt hat. Jetzt mit dem Coliving ist es noch schwieriger. Wir haben uns vorgenommen, jeden Sonntag einen freien Tag einzulegen, aber es gelingt uns kaum, das konsequent durchzuziehen. Selbst wenn wir zehn Tage Ferien machen, füllen wir die Zeit mit Aufgaben anstatt mit echter Erholung.

Das Problem mit Leidenschaftsprojekten ist, dass man nie wirklich aufhört. Früher, als wir nur den Blog hatten, war es einfacher. Aber jetzt, mit dem Coliving und all den anderen Dingen, ist es noch schwieriger geworden, eine Balance zu finden. Wir versuchen, uns zu verbessern, und nach 18 Jahren funktioniert es ja offensichtlich. Aber es gibt immer ein neues Projekt, immer etwas zu tun. Es ist eine ständige Herausforderung, und wir wissen, dass wir sicher nicht die einzigen Unternehmer sind, die das so empfinden.

24. Was denkt ihr über die FIRE-Bewegung? (Ehrlich, ohne Umschweife!)

Wir identifizieren uns sehr mit dem sparsamen Aspekt der FIRE-Bewegung, da wir immer schon sehr minimalistisch waren, und du bist wahrscheinlich noch stärker auf Optimierung bedacht. Traditionelle Investitionen sprechen uns jedoch nicht wirklich an, hauptsächlich wegen unserer Werte. Wir haben Investitionen, aber sie basieren mehr auf unseren Überzeugungen als auf finanziellen Erträgen. Zum Beispiel, als wir 500'000 Franken Ersparnisse hatten, haben wir uns nicht darauf konzentriert, sie zu optimieren, weil das nicht unsere Priorität war. Immobilien hingegen sind eine Investition, mit der wir uns wohlfühlen und vor der wir keine Angst haben.

Was den frühen Ruhestand betrifft, stellen wir uns nicht vor, unsere Tage am Strand mit einem Cocktail zu verbringen, weil wir gerne aktiv bleiben. Was wir an FIRE schätzen, ist die Freiheit, an Projekten zu arbeiten, die uns wirklich interessieren, ohne finanziellen Druck. Mit unserem stabilen passiven Einkommen leben wir in gewisser Weise das FIRE-Modell, auch wenn es keine “Rente” ist. Unser Einkommen ermöglicht es uns, neue Projekte zu verfolgen, ohne dass Geld die Hauptmotivation ist. Das hilft uns, Entscheidungen zu vermeiden, die nur aus finanziellen Gründen getroffen werden, und gibt uns die Freiheit, unseren wahren Wünschen zu folgen.

25. In den letzten 12 Monaten: Immer, wenn ihr eine wichtige Entscheidung treffen musstet, die euer Gehirn nicht allein lösen konnte, wie seid ihr dabei vorgegangen? Was war euer mentaler Prozess?

Ich werde nicht lügen, manchmal öffnen wir eine Flasche Rotwein und besprechen unsere Probleme, um Lösungen zu finden. Natürlich ist das nicht etwas, das wir offen zugeben, aber die Wahrheit ist, dass uns eine Flasche Rotwein oft geholfen hat, mentale Herausforderungen zu überwinden und Lösungen durch Gespräche zu finden. Es ist vielleicht nicht ganz politisch korrekt, aber es ist die Realität.

26. Wer war euer Mentor zwischen 20 und 35 Jahren? Und warum?

Wir hatten Leute, die uns zu bestimmten Zeiten wirklich inspiriert haben, aber ich würde nicht sagen, dass sie unsere Mentoren waren. Zum Beispiel gab es einen Reiseblogger, Alex Viso, dessen Videos von seiner Weltreise uns dazu gebracht haben, ebenfalls ein Abenteuer zu starten. Er war eine grosse Inspiration damals. In letzter Zeit haben wir auch Leute wie Pat Flynn mit seinem Blog Smart Passive Income verfolgt. Auch wenn wir nicht mit allen seinen Werten übereinstimmen, hat er uns viele Ideen gegeben. In jeder Phase unserer Reise haben wir zu Menschen aufgeschaut, die weiter waren als wir, und das hat uns immer angetrieben, weiterzugehen. Diese Denkweise, immer nach vorne zu schauen und nicht zurück, hilft uns, voranzukommen. Heute, im Co-Living, gibt es auch Leute, die so etwas wie unsere Mentoren sind. Es sind Freunde, aber ihre Lebensweise und Vision sprechen uns wirklich an, und wir versuchen, das, was sie tun, nachzuahmen.

27. Meine Tochter (10–15 Jahre) fragt euch: “Hey, Benoît und Fabienne! Ich möchte ein eigenes Business starten, reisen und trotzdem ein bisschen Stabilität haben … Was würdet ihr mir empfehlen?”

Schau, was wir dir empfehlen, ist eine Rucksackreise zu machen. Es ist eine unglaublich lehrreiche Erfahrung. Sie bringt dich dazu, aus deiner Komfortzone herauszutreten und unerwartete Situationen zu meistern, und das hilft dir, zu wachsen. Ausserdem raten wir dir, deine Leidenschaften zu verfolgen, selbst wenn sie etwas verrückt sind. Wenn du Einhorntrainerin werden möchtest, mach es! Es spielt keine Rolle, ob es kein konventioneller Beruf ist. In der Schweiz oder in Frankreich kannst du immer wieder auf die Beine kommen, auch wenn es nicht nach Plan läuft. Das Wichtigste ist, es zu versuchen und keine Angst davor zu haben, Risiken einzugehen. Ehrlich gesagt, solange du etwas tust und weiter dazulernst, ist es nie das Ende der Welt.

Schnelle Fragen

28. Weltreise oder Coliving?

Eigentlich ist es ein bisschen die Denkweise bei beidem. Co-Living, weil du reist, indem du Leute triffst, aber du kannst auch eine Weltreise machen, indem du an solchen Orten Halt machst, das ist wahr.

29. Backpack unter dem Zelt oder Couchsurfing?

Backpack unter dem Zelt.

30. Südamerika oder Asien?

Ohne zu zögern, würde ich dasselbe wählen – Südamerika für Wanderungen, die Natur, die weiten Räume. Mein Traum ist es, mit dem Van dorthin zurückzukehren.

31. Was war die beste Entscheidung in Bezug auf euren “Lebensstil”, die ihr je getroffen habt?

Zuerst schien mir die Idee, eine Weltreise zu machen, unvorstellbar, vor allem wegen der Sorgen anderer, nicht meiner eigenen. Aber als ich den Schritt wagte, merkte ich, wie sehr mir dieser Lebensstil half. Das Schwierigste ist nicht, zu gehen, sondern es zu wagen, ohne sich von den Ängsten anderer zurückhalten zu lassen.

32. Die schlechteste Entscheidung über euren “Lebensstil”, die ihr je getroffen haben?

Das kommt mir nicht in den Sinn. Sag nicht deine Frau! Nee, ich habe keine Antwort auf diese Frage.

33. Was ist eure beste Wanderempfehlung in der Nähe eures Colivings?

Für eine Wanderung mit Teenagern ist eine Nacht in einer Berghütte eine tolle Erfahrung. Zwei leicht zugängliche Optionen, die auch für Personen ohne Schwindelgefühl geeignet sind:

  1. Cabane de Prafleuri, oberhalb der Grande Dixence.
  2. Cabane des Aiguilles Rouges, mit einem Abstieg zum Lac Bleu am nächsten Tag – eine atemberaubende Landschaft.

Für eine sportlichere Herausforderung kann man nach einer Nacht in den Aiguilles Rouges auf den Gipfel des Mont de l’Étoile steigen. Abmarsch um 4:30 Uhr mit Stirnlampe, um den Sonnenaufgang zu erleben – mit beeindruckendem Blick auf die Dent Blanche und das Matterhorn.


Meine Gedanken aus dem Interview mit Fabienne und Benoît

Angesichts der Länge der Transkription habe ich meine Notizen in einem separaten Artikel veröffentlicht.


Ein grosses Dankeschön an Fabienne und Benoît, dass sie sich einen Nachmittag Zeit genommen haben, um ihre so inspirierende Geschichte mit uns zu teilen.

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Wie üblich schreibe und rezensiere ich nur Dinge, die ich in meinem persönlichen Alltag verwende oder denen ich vertraue.

Danke fürs Lesen!